rettet.org!

Seit 20 Jahren bin ich nun täglich unterwegs und Teil dieses WWW. Doch immer noch passieren Dinge, die für mich in keinster Weise nachvollziehbar sind.

Kopfschütteln ist vielleicht das „sinnvollste“, was man hier machen kann. Denn verstehen tut man es nicht.

Die traurige Geschichte der .org-Domain ist jüngst mal wieder so ein Fall.

Diese TLD gehört zu den ältesten der Welt und kann seit 1.1.1985 registriert werden. 2017 zählte man über 10 Millionen Domains allein dieses Namensraums.

Sie gilt bis heute eigentlich als „die ethischste“ und nicht-kommerziellste weltweit, viele Nichtregierungsorganisationen nutzen sie. Die 2001 gestartete Online-Enzyklopädie Wikipedia ist eine der populärsten davon.

Sie soll komplett verkauft werden.
Für umgerechnet 1,018 Milliarden Euro.
An eine Wagniskapitalfirma, die niemand kennt, und die es erst seit diesem Jahr gibt.

Auch wenn sich dagegen nun heftiger Widerstand regt, es ist fraglich, ob der „Deal“ rückgängig gemacht werden kann.

Wie ist so etwas nur möglich!?

In den Nullerjahren hat die Domainendung bei uns noch zum allgemeinen Sprachgebrauch dazugehört, was „das Internet“ betraf. Wir verstanden das WWW eigentlich immer so, eine traute Dreieinigkeit aus drei spezifischen TLDs:

Im Kern hat sich da bis heute auch nichts geändert dran, „nur“ die Realität hat sich gewandelt.

Nun kann eigentlich jeder seine Domain verkaufen oder gleich löschen lassen, wer wirklich nicht-kommerzielle Interessen im Web verfolgt hat.

Die De-facto-Internetregierung, ICANN, prüft momentan den Verkauf durch die ISOC aus Kanada, die die Domain seit 2002 betreibt. Er soll von vornherein intransparent verlaufen sein. Da ich nicht davon ausgehe, dass sich diese Prüfung schnell erledigt, können Unterschriftensammler und Online-Beschwerdeführer zwar noch hoffen.

Pessimistisch stimmte mich hingegen folgendes Statement:

„Ein Vorstandsmitglied des kanadischen ISOC Chapters bringt es so auf den Punkt: Der Verkauf sei angesichts des hohen Kaufpreises und des Risikos, dass Domains in der Zukunft doch von einer Blockchain-Technologie abgelöst würden, ökonomisch schon nachvollziehbar“ [via]

Wenn man ernst nimmt, was hier publik wurde, kapituliert man bereits jetzt vor New-Economy-Systemen wie z.B. NEM aus China, das eigene Domains innerhalb des Blockchain-Projekts zulässt.

.org wird geopfert für ein kommerziell wenig erfolgreiches Namensraum-Beta-System aus China? In 2019? Wie stellt man sich vor, wie schnell das gehen soll!?

Ich gehe nicht davon aus, dass „das Web 3.0“ bereits morgen das komplette Internet ersetzen wird. Zudem wird es das System noch Jahre, wenn nicht Jahrzehnte, als Unterbau brauchen. Und das im optimischtisten aller Fälle(!). Was also weiß die ISOC, was IT-Experten nicht wissen, und das schon heute!?

Es ergibt keinen Sinn.

Und so schließt sich der Kreis wieder bei uralten Themen, wo wir schon vor Jahren oder Jahrzehnten waren, mit bitterbösen Begriffen und Konzepten wie ACTA, Cispa oder der Gegenbewegung zur Netzneutralität. Getreu nach einem altbekannten Motto: wenn ich nur lange genug jemanden einprügle, dass 2+2 eben 5 ist, wird er das irgendwann schon glauben, ja glauben müssen.

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