Die Chinesen sind technologisch sehr weit fortgeschritten und besitzen durch die Firewall des dortigen Regimes trotzdem nur einen sehr begrenzten Internet-Spielraum. Um ihre Wut darüber in eben diesem Medium auslassen zu können, haben sie sich der Kreativität bedient und diverse Fabelwesen erfunden, die zwar völlig ungefährlich sind was die Schreibung betrifft, jedoch vulgär und obszön sind, wenn man sie ausspricht.
Die Internetzensur der Regierung selbst ist ein homophones Wort: Sie wird im Slang „River Crab“ genannt, im Chinesischen pinyin. Wenn also einer pinyin in einem Internetforum verwendet, dann weiß ein Zensor nicht, ob damit die Krabbe (Anti-Regierung) oder das Regierungssystem als solches mit der von Hu Jintao erdachten „Harmonisierung der Gesellschaft“ (sprich: Internetzensur) gemeint ist.
Angefangen hat das mal mit vier Kreaturen:
- „Grass Mud Horse“ (Cao Ni Ma) – war eigentlich eine Alpaca-Unterart. Bedeutet aber übersetzt so viel wie „F*** deine Mudda!“. Der Vergleich ist hier kein wirklich homophoner mit dem Tier, sondern die beiden chinesischen Originalbegriffe besitzen die selben Konsonanten und Vokale mit einer unterschiedlichen Betonung. Der größte Feind dieses Alpaca ist die „Flusskrabbe“ selbst. Inzwischen gibt es Videos auf YouTube mit einem singenden Alpaca, Cartoons, einen Dokumentarfilm und sogar Plüschtiere
- „French-Croatian Squid“ (Fa Ke You) – kommt man schnell selbst drauf, was es bedeutet: „Fuck you!“. Dieses Tintenfisch-Fabelwesen wurde durch Frankreich und Kroatien gleichzeitig entdeckt. Es soll auch sehr aggressiv sein und weiße anstatt schwarze Tinte verspritzen. Manche dieser Viecher sind auch in Ostasien eingetroffen und werden gerne mit Mais gegessen. Sie halten sich generell von Hauptströmen fern (Anti-Mainstream)
- „Small Elegant Butterfly“ (Ya Mie Die) – stammt vom japanischen yamate und bedeutet „Stop!“. Hat im Prinzip mit allen sexuellen stereotypischen Klischees zu tun, die die Chinesen von Japan haben: Vergewaltigungs-Sexszenen, Erotomanie, Pornographie; solche Dinge. Entdeckt irgendwann 2009 im tibetanischen Plateau, sind diese Schmetterlinge durchsichtig, können Farben wechseln und leben im Kalten mit wenig Sauerstoff. Es wird vermutet, dass es nur 14.000 auf der ganzen Welt gibt, was sie selten und wertvoll macht
- „Chrysanthemum Silkworms“ (Ju Hua Can) – „Chrysanthemums“ ist eine vulgäre Referenz zu dem Wörtchen Anus. Ein „broken chrysanthemum“ ist dann ein „kaputter Anus“, referenziert hier aber wiederum den eher schmerzhaften Akt des Anal-Sex. Allerdings: Eine Person kann auch einen „broken anus“ in dem Sinne haben, dass sie hoffnungslos und rastlos erscheint. „broken chrysanthemum“ wurde so zu einem gebräuchlichen, wenn auch vulgären chinesischen Idiom. Das Fabelwesen selbst produziert Seide, stirbt aber leicht und ist schwer zu halten. Außerdem verträgt es weder Hitze, noch Kälte und ist daher sehr teuer
[via]
Inzwischen sind es zehn Kreaturen (siehe [via]-Link), wobei ich nicht genau weiß, ob es dabei geblieben ist. Die näheren Informationen dazu sind aus dem Jahr 2009, das ist auch nicht gerade gestern. Jedenfalls findet man sie überall im chinesischen Internet verstreut, natürlich auch oft verpackt als Mem, gelten mittlerweile schon als die „10 legendären Waffen“.
Diese Form der Steganographie wird nun immer mehr zunehmen. Auch bei uns. Lasst uns hier die chinesischen Bemühungen als Beispiel nehmen. Für die Kids, die das sowieso machen. Und all die Faulen, die nicht in der Lage sind sich GnuPG zu installieren und Enigmail einzurichten.
Gewidmet meinen chinesischen Leserinnen & Lesern. Ich weiß, dass es euch gibt. Dedicated to all my Chinese visitors and readers. I know you are out there. Keep fighting the crab!
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